Saatgutvermehrung – Methoden

/ Garten


Eigenes Saatgut ist, nicht nur in Krisenzeiten, kostbar. Jährlich neu kaufen geht ins Geld und macht abhängig vom Saatguthandel.
Als Ausgangsmatereal ist es notwendig samenfestes Saatgut zu erwerben. Dieses sollte als solches gekennzeichnet sein. Es genügt nicht, das nicht F1 (für erste Generation nach einer Kreuzung auf der Samenpackung steht). Solches Hybrid-Saatgut spaltet in seinen Eigenschaften in der nächsten Generation wieder auf und bringt überwiegend weniger gesunde / kräftige / ertragreiche / geschmackvolle… Pflanzen hervor als die erste Generation und ist für Selbstversorgung unbrauchbar.
Einen weiteren Vorteil hat das eigene Saatgut. Es werden über Jahre und Jahrzehnte (Generationen bei alten Sorten), immer wieder Samen von den besten Pflanzen genommen. Denjenigen, die sich an die regionalen Bedingungen am besten angepasst haben und durch Selektion weiter verbessert wurden.

So entstehen regionale Sorten, die, vor der Zeit des Online Saatgutversandes, in der Nachbarschaft weitergereicht wurden und aufwändiges Handbestäuben weitgehend überflüssig machten, weil die Nachbarn die gleichen Sorten hatten.


Bei der reinen Saatgutvermehrung geht es primär um die Erhaltung vorhandener Sorten. Die Methoden werden natürlich auch bei der gezielten Zucht neuer Sorten eingesetzt, dazu benötigt es aber einiges Wissen über Genetik und Zucht.
Grundsätzlich geht es darum, ein unerwünschtes verkreuzen mit anderen Sorten zu verhindern und so die gewünschten Eigenschaften der Sorte zu erhalten. Durch aufmerksame Auswahl der besten Pflanzen und Saatgutentnahme immer aus einer größeren Gruppe von Pflanzen um die genetische Vielfalt zu erhalten, kann man Sorten nicht nur erhalten, sondern mit den Jahren auch verbessern.

Je nach Fortpflanzungsart der Pflanze werden verschiedenen Methoden angewendet.

Isolation (räumlich)
Als Abstand zur räumlichen Isolation werden für die meisten Arten mindestens 200 bis 800 Meter empfohlen. Damit ist diese nur dann wirklich sicher wenn einen knappen Kilometer rund um das Haus nichts ist. Im Siedlungsgebiet kann man niemals sicher sein das nicht irgendjemand einen Zierkürbis am Balkon gepflanzt hat, der sich mit dem Zucchini kreuzt. In Gegenden mit vielen Bienen ist noch mehr Vorsicht geboten als bei wenig Bienenflug und primärer Bestäubung durch Hummeln (die fliegen nicht so weit). Bienen fliegen bis zu drei Kilometer im Radius.

Isolation (zeitlich)
Bei Windbestäubern mit eher kompakter Blütezeit, wie zum Beispiel Mais, ist es möglich zeitlich zu isolieren. In Maisbaugebieten ist der Maispollen allgegenwärtig und Räumliche Isolation ist fast nicht möglich (der Pollen fliegt Kilometerweit). Es ist im Garten, oder in kleineren Äckern aber möglich die Maispflanzen bereits Anfang April drinnen vorzuziehen und Anfang bis Mitte Mai (je nach Witterung) bereits mit deutlichem Vorsprung auszupflanzen. Ein wenig „aufpassen“ sollte man bei dieser Methode trotzdem. Wenn rundum die Felder zu blühen beginnen müssen die Nachzügler unter den Kolben entfernt werden (oder zumindest markiert als nicht-Saatgut).

Fremdbestäubung mechanisch verhindern
Pflanzen, die sich üblicherweise ohnehin selber bestäuben wie Tomaten oder Karotten, können in ein feines, dichtes Netz eingepackt werden. Ein alter, feiner Vorhang eignet sich gut dafür, er muss allerdings noch genug Licht durchlassen. Der Vorhang wird entweder auf einen Rahmen gespannt der wie ein Kasten über der Pflanze (den Pflanzen) steht, oder wie ein Sack darübergestülpt und unten zugebunden. Sinn ist, das keine Insekten hinein können und fremden Pollen einschleppen. Bei diesen eingepackten Pflanzen sollte man täglich kräftig schütteln um den Pollen innerhalb gut zu verteilen da der Wind durch das Netz nicht mehr so gut ankann.

Handbestäubung bei Windbestäubern wie Mais
Kann Mais nicht Räumlich oder zeitlich isoliert werden, müssen die Fahnen verpackt werden bevor der Pollen auszufallen beginnt. Auch die Kolben werden in ein wasserfeste Säckchen eingepackt bevor sie die ersten Bartfäden zeigen (an denen fremder Pollen haften könnte). Die Säckchen werden unten zugebunden. Sobald die Pollen auszufallen beginnen werden die Pollen von allen Pflanzen abgesammelt und auf die Bartfäden der Kolben verteilt. Danach sofort wieder Fahnen und Kolben verpacken. Das muss alle 2-3 Tage gemacht werden. Für eine dauerhaft gesunde Population einer Maissorte sind mindestens 100 verschiedene Pflanzen zur Vermehrung erforderlich. Das bedeutet echt viel Arbeit! Mais-Saatgut ist 4-5 Jahre gut keimfähig – man muss sich das wenigstens nicht jedes Jahr antun…

Handbestäubung bei Pflanzen mit großen Blüten – wie Kürbis, Melonen, Gurken,… Hier kann man leicht unterscheiden zwischen männlichen und weiblichen Blüten, (die sich an einer Pflanze befinden). Die weiblichen Blüten sitzen auf einer Verdickung, die später zur Frucht wird. Die männlichen Blüten auf einem langen und schlanken Stengel. Beginnt die Pflanze zu blühen kommen zuerst immer einige männliche Blüten und erst später die weiblichen.

Hier eine männliche Zucchiniblüte. Am Vorabend zugeklammert, Morgens gepflückt und von den Blütenblättern befreit. Mit dem Innenteil kommt man sehr gut in die weibliche Blüte zum bestäuben.

Wenn ich eine Sorte Saatgut ziehen möchte, dann kontrolliere ich Abends die Pflanzen und verschließe jede Blüte die am nächsten Tag aufblühen wird mit einer Wäscheklammer. Auch die ersten männlichen. Sinn der Übung ist es, gar nicht erst Insekten an diesen Standort anzulocken. Wenn noch keine weiblichen Blüten vorhanden sind, sammle ich den Pollen und vergrößere damit die Portionen sobald sich die ersten weiblichen Blüten öffnen.
Bestäubung:
Morgens die männlichen Blüten abpflücken, die Blütenblätter entfernen, so dass nur noch der Teil mit dem Pollen übrig bleibt. Den Pollen gut auf dem Stempel der weiblichen Blüte verteilen. Wenn zwei männliche Blüten auf eine weibliche kommen ist es noch besser. Nicht benötigte Blütenpollen vom Vortag erhöhen die Chance auf Befruchtung. Danach kommt ein Papier, oder Plastiksackerl über die Blüte und damit auch sicher kein Insekt hineinkrabbelt zwicke ich den umgeschlagenen Rand wieder mit der Wäscheklammer zu. Am Abend kann die Verpackung entfernt werden, dann hat sich die Blüte von selber geschlossen und es kommt nichts mehr dazu.

Das war eine grobe Übersicht der Methoden. Wer sich wirklich in das Thema vertiefen möchte, dem empfehle ich das Buch „Saatgutgewinnung im Hausgarten“ von Suzanne Ashworth. Deutsche Ausgabe Arche Noah 1993. Das Buch ist leider nur noch Antiquarisch erhältlich, aber wer weiß, wenn genügend Leute bei der Arche Noah anfragen – vielleicht gibt es mal eine Neuauflage? Dieses Buch, nach dem ich seit vielen Jahren arbeite, ist ein echter Schatz! Außerordentlich umfassend und trotzdem verständlich geschrieben.